Wichtige Informationen zur Harmonisierung

Bei der Durchsicht der Liste der harmonisierten Normen nach der Bauproduktenverordnung stellt man schnell fest, dass sehr viele dieser Normen vergleichsweise alt sind. Rund 50 % der Normen oder Normenteile, die als harmonisiert im Amtsblatt der EU genannt werden, haben ein Ausgabedatum, das vor 2009 liegt (Stand: Juli 2019). Die Normungsarbeit ist aber in den letzten 10 Jahren natürlich nicht stehengeblieben. Daraus ergibt sich, dass eine Vielzahl von Neufassungen dieser Normen existieren, die in vielen Fällen auch auf der Normungsebene bereits die vorherigen Fassungen abgelöst haben, die aber eben nicht als harmonisiert im Amtsblatt der EU aufgeführt werden.

Der Grund dafür liegt darin, dass die Kommissionsdienste in diesen neuen Normfassungen formale Mängel identifiziert haben; diese Normen stimmen nach ihrer Auffassung nicht mit dem Konzept der Bauproduktenverordnung überein. Nur zwei Beispiele für die häufigsten Probleme:

  • Nach Auskunft der Kommissionsdienste enthalten viele zur Harmonisierung von CEN/CENELEC vorgesehene Normen Klassen oder Schwellenwerte, die noch nicht mit den Kommissionsdiensten und den Mitgliedstaaten abgestimmt sind. Die Artikel 3 Absatz 3, Artikel 27 Absätze 1 bis 3 und Artikel 60 Buchstaben a) und f) der Bauproduktenverordnung besagen, dass (nur) die Kommissionsdienste im Rahmen eines delegierten Rechtsakts Schwellenwerte und Leistungsklassen für bestimmte Produktfamilien festlegen können. Daher werden von den Kommissionsdiensten nach und nach solche Rechtsakte zu Leistungsklassen oder Schwellenwerten erlassen, wenn das von CEN/CENELEC beantragt wird, weil deren Normen solche Schwellenwerte oder Klassen vorsehen. Wo keine derartigen Rechtsakte für Klassen erlassen worden sind, können außerdem die Normungsgremien Klassen auf der Grundlage eines geänderten Mandats vorsehen, was wiederum die Einschaltung der Kommissionsdienste voraussetzt, die die Normungsaufträge (genannt "Mandate" oder seit etwa 2018 "Standardisation Requests") erteilen.             
    Schwellenwerte oder Klassen aus bereits im Amtsblatt der EU bekannt gemachten harmonisierten Normen oder Leitlinien für europäische technische Zulassungen (aus der Zeit der Bauproduktenrichtlinie) dürfen aber übernommen werden, ohne dass eine (nochmalige) formale Festlegung erforderlich ist.
  • Manche Normen legen Anforderungen legt. Das entspricht nicht dem Konzept der Bauproduktenverordnung. Harmonisierte Spezifikationen dienen lediglich dazu, harmonisierte Bewertungsverfahren für Wesentliche Merkmale zu definieren. Europäisch spielt es keine Rolle, wie "gut" die Produkte sind, d. h. welche Produktleistungen sie erreichen. Das Anforderungsniveau für die Produktleistungen im Zusammenhang mit bestimmten Verwendungszwecken festzulegen, ist Sache der Mitgliedstaaten.

Es sind für die Aufstellung der Leistungserklärung und für die CE-Kennzeichnung immer die Normfassungen anzuwenden, die zuletzt im Amtsblatt der EU als harmonisiert bekannt gemacht worden sind, unabhängig davon, dass sie ggf. von CEN/CENELEC als zurückgezogen geführt werden. Die daraus entstehende Unstimmigkeit ist der Tatsache geschuldet, dass hier ein öffentlich-rechtliches System (Bekanntmachungen im Amtsblatt der EU basierend auf der Bauproduktenverordnung und mit rechtlichen Konsequenzen) neben dem privatrechtlichen System (interne Regeln der europäischen Normungsorganisationen) existiert. Die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen sind dabei maßgeblich.